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Recht 
Dienstag, 16.10.2018

Haftung bei "Verkehrsunfall ohne Berührung"?

Der Fall

Der Kläger war mit seinem Motorrad auf einer Bundesstraße unterwegs und folgte dort dem Motorrad des Beklagten. Dieser überholte unter Inanspruchnahme der Gegenfahrbahn einen Pkw. Der Kläger wollte sowohl den Motorradfahrer als auch den Pkw überholen. Er fuhr weiter außen auf der Gegenfahrbahn und geriet, ohne dass es zu einer Fahrzeugberührung gekommen wäre, in das Bankett. Dort verlor er die Kontrolle, stürzte und verletzte sich dabei schwer.

Der Kläger legte dar, dass er den noch hinter dem Pkw fahrenden Motorradfahrer fast schon überholt habe, als dieser plötzlich ohne Schulterblick und Blinksignal nach links ausgeschert sei und den Kläger zu einem kontinuierlichen Ausweichen nach links gezwungen habe.

Die Entscheidung

Die Schadenersatzklage hatte keinen Erfolg. Der BGH stellte Folgendes klar:

Die Halterhaftung gemäß § 7 Abs.1 StVG und die Haftung des Fahrers aus vermutetem Verschulden gemäß § 7 Abs.1 i.V.m. § 18 StVG greift nicht ein, wenn ein in Betrieb befindliches Kraftfahrzeug lediglich an der Unfallstelle anwesend ist, ohne dass es durch seine Fahrweise (oder eine sonstige Verkehrsbeeinflussung) zu der Entstehung des Schadens beigetragen hat.

Die Halterhaftung umfasst indessen alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadenabläufe. Es genügt, dass sich eine von dem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr ausgewirkt hat und das Schadengeschehen in dieser Weise durch das Kraftfahrzeug mitgeprägt worden ist. Ob dies der Fall ist, muss mittels einer am Schutzzweck der Haftungsnorm orientierten wertenden Betrachtung beurteilt werden.

Für eine Zurechnung zur Betriebsgefahr kommt es maßgeblich darauf an, ob der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Kausalzusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges gestanden hat.

Dabei hängt die Haftung gemäß § 7 StVG nicht davon ab, ob sich der Führer des im Betrieb befindlichen Kraftfahrzeuges verkehrswidrig verhalten hat, und auch nicht davon, dass es zu einer Kollision der Fahrzeuge gekommen ist.

Bei einem sogenannten "Unfall ohne Berührung" ist Voraussetzung für die Zurechnung des Betriebes des Kraftfahrzeuges für ein schädigendes Ereignis, dass über die bloße Anwesenheit des Kfz an der Unfallstelle hinaus das Fahrverhalten des Fahrers in irgendeiner Art und Weise das Fahrmanöver des Unfallgegners beeinflusst hat.

Im vorliegenden Fall war eine kritische Verkehrslage noch nicht (allein) durch den Überholvorgang eingetreten. Sie war frühestens entstanden, als der Kläger sich ebenfalls und gleichzeitig auf die Gegenfahrbahn begab.

Dieser Umstand konnte dem beklagten Motorradfahrer nach Meinung des BGH aber im Ergebnis nicht zugerechnet werden. Denn es stellte keine typische Gefahr eines Überholvorgangs dar, dass der rückwärtige Verkehr diesen Vorgang seinerseits zum Überholen in zweiter Reihe nutzte und dabei - ohne dass eine Fahrweise oder sonstige Verkehrsbeeinflussung des Überholten dazu Anlass gegeben hätte - ins Schlingern geriet.

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